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Norwegen 2002 – Hardangervidda und Städte-Tour
- Zwei Seiten einer Reise, aber immer solo

04.07. bis 13.07.2002


Die Planung für meine Reise in diesem Jahr nach Norwegen kam ganz spontan – nachdem ich gelesen habe, dass RyanAir nun auch von Hahn nach Oslo bzw. Torp – südlich davon fliegt, entdeckte ich auch schon ein Sonderangebot für den Flug. Erst Tage vorher plante ich noch eine Tour durch die nördlichen Highlands von Schottland und nun buchte ich plötzlich im Januar einen Flug für 91 Euro nach Norwegen.

Und das Ziel stand auch schon fest: Ich hatte im Sommer bei Ebay eine Wanderkarte der Hardangervidda für 2 DM ersteigert. Nach einigen Infos aus dem Internet und dem Kauf des Büchleins „Der Weg ist das Ziel – Hardangervidda“ aus dem Conrad Stein Verlag plante ich auch schon die ungefähre Tour: Ich wollte mit der Bergenbahn nach Finse fahren und von dort nach Süden in die Hardangervidda wandern. Alles Weitere wird sich ergeben.

Nachdem ich die letzten Jahre immer mit Freundinnen unterwegs war, beschloss ich in diesem Jahr meine Tour ganz allein zu machen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich mal wissen will, wie ich alleine zurecht komme. Verlockend auch die Aussicht, die ganze Zeit tun und lassen zu können, was mir gerade in den Sinn kommt – Fotografieren wann ich will, mit dem GPS spielen wann ich Lust darauf habe, Pausen machen nach Laune, so langsam oder schnell gehen wie ich gerade will . . . es kam mir Vieles in den Sinn, was allein Spaß macht. Und da es sich dort um markierte und regelmäßig benutzte Wege handelt, musste ich auch keine Angst haben, bei einem Notfall tagelang in der Wildnis zu liegen. Und um ab und zu mal zu Quatschen, dafür sollte ich dort auch Menschen treffen.

Für die Solo-Tour musste ich allerdings meine Ausrüstung noch mal extrem reduzieren, im letzten Jahr hatte ich 22 kg auf dem Rücken, und da war die Gruppenausrüstung bereits geteilt. Dieses Jahr wollte ich sogar noch darunter bleiben. Oft habe ich meine Packliste im PC durchgesehen und versucht zu optimieren.
Die Nahrung bestand dann zu einem großen Teil aus Fertig-Futter. Müsli mit Milchpulver, Powerbars und Schokolade für unterwegs, als Hauptmahlzeit Trekking-Nahrung von Simpert Reiter und für abends Spaghetti mit Knoblauch und Chillies oder Schinken, Salami und Knäckebrot.
Schlafsack und Ridge-Rest-Matte waren Leichtgewichte und an Klamotten nur das Nötigste vorgesehen. Auf Digitalcamera und GPS wollte ich allerdings nicht verzichten und ein bisschen was zum Lesen für die Abende muss ebenfalls sein.

Lange dachte ich über mein Zelt nach, das SierraDesigns wiegt 2,5 kg – hat aber fast keine Apsis und es muss das Innenzelt zuerst aufgestellt werden, gar nicht gut im Regen – und damit musste ich in Norwegen rechnen.
Spontan beschloss ich Ende Mai mir ein gutes Solo-Zelt zu gönnen: Ein rotes Hilleberg Akto Ultra mit einem Gewicht von ca. 1,6 kg – ein ganz besonderes Stück, nicht ganz billig, aber genau das Richtige für die Tour. Mein Gewichtstuning hat beste Erfolge und da ich in Norwegen nur eine kleine Flasche mit Trinkwasser im Gepäck haben muss – schließlich gibt es überall Bäche und Seen, hatte ich beste Voraussetzungen.


04.Juli 2002:
An diesem Morgen brauche ich keinen Wecker – ich bin bereits kurz nach 4 Uhr wach und frühstücke gemütlich um dann gegen 5 Uhr den Weg nach Hahn im Hunsrück anzutreten.
Ich fahre sehr ruhig und bin dann gegen 9.30 Uhr auf dem Gelände des ehemaligen US-Militär-Flugplatzes. Es ist deutlich mehr los als im letzten Jahr – die zahlreichen kostenlosen Parkplätze sind voll und erst nach einer Ehrenrunde übers Gelände finde ich eine Lücke um mein Auto abzustellen. Man merkt also deutlich, dass RyanAir nun drei- oder viermal so viele Flugbewegungen täglich hat, seit Hahn zum Regional-Knoten der Fluglinie wurde.
Auch in der Abflughalle wimmelt es von Menschen in langen Schlangen an den Schaltern für drei verschiedene Flüge. Schnell jedoch bin ich abgefertigt, das Gewicht meines Rucksacks passt - 14,5 kg, wie abgewogen. Das Freigewicht beträgt bei RyanAir nur 15 kg – deshalb hab ich im Handgepäck ca. 5 kg Futter, Kamera und Jacke. Es geht zu wie am Bahnhof – fliegen mit RyanAir ist ja auch fast nichts anderes als Busfahren.
Mit etwas Verspätung geht es los, der Flieger ist voll, ich sitze am Fenster – sehe aber nichts, da dicke Wolken bis fast zur Landung in Norwegen unter uns hängen.
Der Anflug auf Torp geht übers Meer und unter mir sehe ich Schären mit kleinen Häusern und viele Boote.
Ruckzuck bin ich aus dem Flugzeug und sehe auch schon meinen Rucksack auf dem Gepäckband – direkt vor dem kleinen Flughafen-Gebäude steht bereits ein Express-Bus zum Busbahnhof in Oslo bereit. Die Fahrt dauert ca. 2 Stunden und kostet einfach 100 Kronen– ich muss mich daran gewöhnen, dass in Norwegen alles ein bisschen teurer ist als zuhause.
Bis zur Abfahrt meines Zuges nach Finse hab ich noch eine knappe Stunde Zeit und aus dem Internet-Stadtplan weiß ich bereits, dass keine 200 mtr. an der Hauptverkehrsstrasse vom Bahnhof auswärts eine Tankstelle ist. Da ich im Flugzeug kein Benzin transportieren durfte und ich von anderen Outdoorern wusste, dass ich in der Hardangervidda auch keines bekommen werde, muss ich hier in Oslo meine Benzin-Flasche füllen.
An einer Zapfsäule sehe ich einen Motorradfahrer und spreche ihn an, ob er mir meine Flasche füllt – er guckt etwas verdutzt, aber kein Problem, schnell hab ich einen halben Liter Sprit und da er meine großen Scheine auf die Schnelle nicht wechseln kann, schenkt er mir sogar das Benzin.

Zurück im Bahnhof geht es als erstes an den Schalter für die Reservierung. Die Züge der Bergen-Bahn sind alle reservierungspflichtig und ich hab ein bisschen Angst, dass ich eine halbe Stunde vor Abfahrt keinen Platz mehr für den modernen Schnellzug „Signatur“ bekommen könnte. Aber – absolut unbegründet, ruckzuck hab ich mein Ticket und kaufe mir noch was beim BurgerKing im Bahnhof – ich merke erst jetzt, dass es bereits spät am Nachmittag ist und mir der Magen in den Kniekehlen hängt. Das Fast-Food-Essen kostet fast doppelt soviel wie bei uns und pappsatt gehe ich zum Zug.

Im Großraumwagen sitzen nur ganz wenige Menschen und bereits kurz nach der Abfahrt suche ich mir einen schönen Fensterplatz mit Tisch und mache es mir gemütlich. Welch Komfort im Gegensatz zum Flugzeug. Leider ist es die meiste Zeit während der Fahrt bewölkt oder regnet auch mal. Die Aussicht wird immer dramatischer und ab Geilo kann ich bereits erahnen, was mich in der Hardangervidda erwarten wird. Bergkämme mit vielen Altschneeflächen, kleine Seen und Bäche, niedriges Gestrüpp und in Bahnnähe, erreichbar über den Rallervegen viele kleine Wochenendhäuschen. Nach 4 Stunden – kurz nach 20.00 Uhr hält der Zug in Finse, mit 1222 mtr. über dem Meeresspiegel der höchstgelegene Bahnhof auf der Strecke der Bergenbahn – der Ort besteht nur aus dem Bahnhofsgebäude, Bahnmuseum, einem Hotel und den Nebengebäuden.
Als ich aus dem Zug steige, regnet es gerade - zum Glück nur ein Nieseln, aber genau wie ich es erwartet hatte. Ich hatte bereits Tage vorher im Internet die Webcam von Finse beobachtet und leider fast immer Regen und Wasserlachen auf dem Bahnhofsvorplatz entdeckt.
       

Ich schaue mich kurz um, sehe ein paar Eisschollen auf dem See und am anderen Ufer hängen dichte Wolken an den schneebedeckten Berghängen. Mein Weg führt mich jetzt in Richtung Westen immer am Seeufer entlang auf dem geschotterten Rallervegen. Noch ist es etwas früh für die Radwanderer, an manchen Stellen stapfe ich auch hier durch sulzigen Altschnee – jedoch eine einsame Fahrradspur ist zu erkennen. Nach ein paar Kilometern verlasse ich den Radweg und folge den Steinmännern mit dem auffälligen roten „T“ bis zum westlichen Ende des Sees.
Hier will ich mir einen Platz für mein Zelt suchen, um morgen früh gleich über die Sommerbrücke und dann ein größeres Altschneefeld weiter hoch zu wandern.
Die gleiche Idee hatten schon andere vor mir – im weiteren Umkreis kann ich drei Zelte entdecken und hab schon das Gefühl, dass es hier ganz schön überlaufen ist.

Direkt am Seeufer finde ich zwei trockene und ebene Quadratmeter, um mein kleines Zelt aufzustellen. Der Wind hat zugenommen, dafür regnet es jetzt nicht mehr. Ich koche mir was Leckeres zum Abendessen, es ist ja auch bereits nach 22.00 Uhr – und laufe dann noch zum Ufer. So was Dummes – die Sommerbrücke ist noch nicht aufgebaut. Ich wandere zu den anderen Zelten und unterhalte mich mit den Männern. Einer hat heute schon eine Erkundung unternommen, eine halbe Stunde bachaufwärts ist es problemlos möglich auf die andere Seite zu queren. Na, da bin ich mal gespannt, was mich morgen so erwartet. Es wird immer noch nicht dunkler und ich mache mir keine Hoffnung mehr die Dämmerung zu erleben, als ich gegen 23.00 Uhr bei 6°C in mein Zelt schlüpfe.


Trotz Wind hab ich bestens geschlafen und wache erst kurz vor 9.00 Uhr auf. Cappuccino und Müsli schmecken lecker und bald hab ich mein Zelt abgebaut und den Rucksack geschultert. Gerade als ich den Weg zur Furtstelle am Bach beginne, kommen zwei junge Jogger mit Hund den Weg entlang. Ich habe Glück, die Jungs werden jetzt die beiden Sommerbrücken aufbauen und erzählen mir, dass sie in einer guten Stunde fertig sein werden. Sehr gut – ich setze mich ans Ufer und gucke zu, warum sollte ich jetzt noch unnötig den Umweg laufen. Routiniert spannen die Beiden die Seile und montieren die Holzbretter und bis ich mich versehe kann ich um 11.00 Uhr über die Brücke und meiner heutigen Route am Berghang des Hardangerjokulen entlang folgen.

Nach einem kurzen Stück im Geröll beginnen Altschneefelder und ab hier ist der Weg mit langen weiß-roten Stangen markiert. Es geht immer weiter hoch, dichte Wolken und Nebel hüllen mich ein, ich suche oft nach dem nächsten Holzstab irgendwo oberhalb von mir. Nicht weit von mir laufen drei deutsche Jungs und zwei ältere Männer aus England. Ich habe sie bereits am Abend getroffen und wenn wir uns bei Pausen nun begegnen unterhalten wir uns kurz.
Es geht immer höher, Schneeregen setzt ein und leider wird die Sicht immer schlechter – wir irren alle in Gipfelnähe rum und suchen nach dem nächsten Markierungsstab, in der Nebelsuppe keine leichte Sache. Ab jetzt orientiere ich mich nur noch mit dem Kompass, eigentlich keine Schwierigkeit – der Weg führt direkt nach Westen und nachdem ich eine halbe Stunde querfeldeinlaufe, bereits wieder auf dem Weg runter von der Passhöhe - als der Nebel so schnell verschwunden ist, wie er kam - entdecke ich endlich den ersten Steinmann auf dem weiteren Pfad.
      
An der Westseite des Gletschers steige ich wieder über weitere Altschneefelder ab, vorbei am Gletschersee mit einem schönen Wasserfall komme nach einiger Zeit an den See Ramnabergvatnet. Es ist schon Nachmittag, ich suche mir einen schönen Platz und koche erst mal einen Tee und was zum Essen. Auch ich habe eine Rucksack-Fee und der blinde Griff in denselbigen beschert mir Nasi Goreng, lecker – aber was sagt das schon, wenn ich unterwegs bin schmeckt es mir immer. Während ich so sitze überholen mich die drei Jungs mal wieder.
Auf der Gletscherseite des Sees rauscht ein Wasserfall unter dem Schnee hervor und die Gegend rundum ist trocken und flach. Das nutzen die beiden Engländer und stellen am Ufer das Zelt auf, die beiden haben es nicht eilig und machen Schluss für heute.

Mein Weg führt mich über weitere Schneefelder wieder leicht ansteigend, nun ist niemand anderes mehr in meiner Nähe und ich laufe weiter zur Sommerbrücke am Zulauf vom See Nutavatnet. Mal wieder ist alles rund um mich in Nebel gehüllt und plötzlich sehe ich mystisch die große Sommerbrücke direkt vor mir auf dem Weg. Am Ostufer des Sees führt mein Weg über ein ziemlich steiles Schneefeld und ich stampfe bei jedem Schritt sehr fest in den Schnee – ich habe keine Lust, aus Unachtsamkeit ins Wasser runterzurutschen. Das ist es sicher noch recht kalt, nach den vielen Eisschollen zu urteilen, die über den See schwimmen. Anschließend begegnet ich einer kleinen Gruppe Norwegern – die einzigen Leute, die mir heute entgegenkommen.

Bald geht es wieder einen kurzen steilen Abstieg in ein enges Tal und an schroffen Felsen vorbei. Eine Bergflanke entlang hoch und ins nächste Tal mit einem schönen See. Hier treffe ich wieder auf die 3 deutschen Studenten, die gerade eine Pause beenden – ich freue mich, weil ich merke, dass mein Lauftempo als „alte Frau“ gar nicht so schlecht ist. Hatte ich doch vermutet, dass die Jung-Spunde schon über alle Berge sind. Es ist jetzt schon fast 18.00 Uhr und nun setze ich mich wieder auf einen Stein und lasse die Landschaft eine Viertelstunde auf mich wirken und sehe dabei, wie die Jungs auf der anderen Seite des Tales langsam ein Schneefeld hochlaufen.
      
Dort oben geht es dann über Felsplatten und ganz plötzlich sehe ich unter mir auf dem weiteren Weg einen kleinen See und links davon kann ich den letzten Abstieg des heutigen Tages zur Hütte bei Rembedalseter nur ahnen – es ziehen mal wieder dichte Nebelwolken vom Tal hoch. Erst geht es über blanke Felsplatten ca. 100 Hm runter und dann macht der Weg einen scharfen Knick nach Osten und es wird noch schwieriger. Der weitere Pfad ist sehr steil, morastig und steinig – manchmal hab ich das Gefühl ich klettere in einem Wasserfall nach unten. Auf halber Höhe runter zu einem kleinen See schließe ich sogar auf die drei Deutschen auf. Der Weg ist sehr schwierig und jeder einzelne Schritt muss bedacht gesetzt werden. Aber auch das Wegstück ist endlich vorbei und nach ca. einem weiteren Kilometer komme ich gegen 19.15 Uhr nach 17 km an der Hütte an.

In der Hütte sind nur 2 Norweger – ich gucke mich kurz um und stelle dann in einiger Entfernung mein Zelt auf. Die Schafe sind etwas verwirrt – ich hab wohl einen Pfad mit meinen Zeltleinen blockiert. Heute esse ich nur noch etwas Schokolade, lese ein oder 2 Seiten und bin dann so müde, dass ich gegen 21.00 Uhr bereits einschlafe.


Gegen 8.00 Uhr wache ich auf und sehe gerade beim Zeltöffnen, dass die beiden Norweger schon unterwegs sind. Dichter Nebel rund um mich – ich sehe schemenhaft die Hütten stehen. Nach einer kurzen Wäsche und Zähneputzen gehe ich in die Hütte um mir im Vorraum einen Cappuccino zu kochen. Dummerweise rußt mein Kocher mit dem Autobenzin so stark, dass plötzlich der Rauchmelder losheult. Verwirrt versuche ich die norwegische Bedienungsanleitung zu verstehen, um das Ding wieder auszumachen. Keine Ahnung, ob da jetzt irgendwo in einer fernen Zentrale der Alarm ausgelöst wurde.
Ich sitze in der warmen Hütte, mittlerweile sind auch die drei Jungs aus dem Zelt gekommen, Müsli essen, Hüttenbuch lesen – und aus dem Fenster den Nebel beobachten, mehr hab ich zur Zeit nicht zu tun. Dann endlich gegen 10.30 lichtet sich die graue Suppe und ich kann wieder ein Stück meines weiteren Weges erkennen. Bald hab ich das Zelt abgebaut und alles verpackt und trotzdem ist es schon 11.45 Uhr als ich endlich loslaufe. Die Jungs wollen heute einen Ruhetag einlegen und so werde ich wohl heute alleine auf dem weiteren Weg unterwegs sein.
      

Bald geht es am Hang oberhalb des Sees entlang in ständigem kurzen Auf und Ab mit einigen Kletterstellen zwischen übles Blockgewirr hindurch. Mit Händen und Füssen klettere ich langsam hoch Richtung der Gletscherzunge und komme dann bald an die Sommerbrücke über einen Wildbach, der etwas aufwärts unter dem Eis des Gletschers hervor schießt. Ich bin jetzt sehr nahe an der Gletscherzunge und kann mich gar nicht satt sehen an dem geheimnisvoll hellblau leuchtenden Eis. Auch hier ist es nicht besonders warm und der Nieselregen wird schon mal zu einem leichten Schneeregen.
Langsam gehe ich teilweise im Zickzack über glatte Steinplatten nach oben, die Aussicht ist toll und ich mache öfter mal Pause beim Aufstieg. Es ist ganz still und ich sitze allein in diesem wunderschönen Trogtal mit Gletscherzunge. Unten sehe ich den See, ca. 100 Meter über mir eine dichte Nebeldecke, die aber auch sehr plötzlich aufreißt. Sofort bemerke ich ein paar Mücken um mich. Und dann auch gleich wieder ein leichter Nieselregen – es wechselt oft innerhalb von Minuten. Hinter mir fliegt plötzlich ein Schneehuhn auf. Außer Schafen, ist das leider das einzige Tier, das ich sehe. Ich mache heute sehr viele Pausen zum Fotografieren – die ganze tolle Landschaft gehört mir heute ganz allein.

Kleine Rinnsale fließen über die Steine abwärts und so muss ich auf dem weiteren Weg hoch zur Weggabelung sehr gut auf meine Schritte achten. Als ich dann oben beim Wegweiser bin, führt mein Weg auf der Hochebene zwischen sanft gewellten Felsen und in nassem Moos weiter. Hier ist es angenehm zu gehen – vorbei an kleinen Seen und Rinnsalen macht mir der Weg Spaß, ich treffe zwei junge Schweden und unterhalte mich kurz. Mehr Menschen werde ich heute nicht mehr begegnen.
Plötzlich reisen vor mir die Wolken aus dem Tal auf und ich merke, dass ich auf den Grat Storhaugen zugehe, der das Simadalen – einen Ausläufer des Hardangerfjordes vom Tal Skykkjedalen im Osten trennt. Ich genieße einen großartigen Blick in das schmale Tal und den Fjord. Die Bergflanken stürzen ca. 1000 Meter steil in das Tal runter. Und mein weiterer Weg führt mich noch ein ganzes Stück direkt oberhalb der Abbruchkante weiter. Aus meinem Buch weiß ich, dass im weiteren Verlauf und auch dann unten im Tal keine Zeltmöglichkeit besteht.

      
Es ist bereits 16.00 Uhr, es hätte keinen Sinn jetzt stundenlang nach einer trockenen Stelle zu suchen und so beschließe ich, gleich hier oben am Grat mein Zelt aufzustellen. Etwas abseits des Weges, kurz bevor es wieder steil nach unten geht, finde ich eine schöne ebene und trockene Wiese in einer windgeschützten Senke.
Ein Superplatz – ich sehe von hier ins Simadalen und auf der anderen Seite mäandert ein Fluss mit einem unaussprechlichen Namen durch ein sumpfiges Tal – über mir treibt der Wind die Wolken und immer wieder guckt die Sonne raus. Ich kann mich nicht satt sehen am Schattenspiel unten am Fluss und an den steilen Berghängen.

Die ganze Idylle hat nur einen Nachteil: es gibt weit und breit kein Wasser – der letzte Bach war vor ca. einer Stunde und der nächste am Weg ist unten im Tal. Und in meiner Flasche ist auch nur gut ein halber Liter.
Also suche ich erst mal den ganzen Berghang in meiner näheren Umgebung nach Wasser ab. Ich bin jedoch so weit oben, dass ich nur ein mooriges Rinnsal in einer sumpfigen Senke finde. Ich halte meinen Platypus-Trinkbeutel an die Stelle, wo das Wasser rinnt und hab nach einiger Zeit endlich cirka einen Liter in der Flasche.
Als ich mir das Wasser genau anschaue, habe ich das Gefühl, da ist Leben drin – es wimmelt von kleinen hellen Punkten - die gar nicht wie Grassamen aussehen. Durch einen Pfropf aus Klopapier filtere ich das Wasser in meinen Topf und fange an zu kochen – es würde gut reichen für mein Fertig-Futter und eine große Tasse Tee.
Da es gerade wieder zu regnen anfängt, koche ich in der Apsis und liege im Zelt – beim Versuch den Kocher ein kleines Stück weiter ranzuziehen kippt mir der Topf mit heißem Wasser vom Kocher – und das Wasser ergießt sich in den Boden – war wohl nix mit Survival. Außer einem nassen Boden in der Apsis ist leider nichts übrig.
Nun koche ich mit dem Wasser aus der Trinkflasche Nudelsuppe Carbonara und hab noch einen Schluck zum Trinken – aber der Durst meldet sich bald. Wenn nichts da ist, dann bin ich immer besonders durstig.
Da hab ich die nächste Idee – ich ziehe in das Überzelt eine tiefe Falte und stelle den Topf und auf der anderen Seite die Pfanne darunter.
Jetzt freue ich mich sogar darüber, dass der Regen stärker wird, erwartungsvoll lausche ich dem Geräusch des tröpfelnden Wassers und als ich nach einer guten halben Stunde nachschaue, habe ich ca. ¾ Liter Wasser aufgefangen. Bestens – was will man mehr, das reicht für heute abend und morgen früh gibt es halt erst wieder was, wenn ich unten im Tal bin. Und genauso schnell wie der Regen gekommen ist scheint plötzlich die Sonne – verrücktes Wetter. Ich mache einen kleinen Spaziergang zum Fotografieren und Gucken.
Und bald geht es in den Schlafsack für die Nachtruhe. Das Wort Katzenwäsche heute zu benutzen wäre eine Beleidigung für die Katzen. Außer ein paar Schafen in der Nähe gibt es hier oben keine weiteren Lebewesen – die nächsten Menschen sind vermutlich drei oder noch mehr Gehstunden von mir entfernt, kommt mir in den Sinn. Ich schlafe trotzdem – oder deshalb? - bald ein und hab eine ruhige Nacht.
Frühmorgens höre ich mal das Bimmeln von Schafsglocken und ein leises Blöcken, in der Ferne ruft ein Kuckuck.

      
Als ich morgens um 8.00 Uhr aufstehe ist es klar, kein Nebel im Tal und ich packe schnell alles zusammen, trinke einen Rest Regenwasser und laufe los. Es geht schnell bergab, aber ich finde kaum Markierungen, sehe aber immer unter mir die Flussmündung mit der Sommerbrücke.
Endlich mal sehe ich rechts einen Steinmann und folge dem ausgetretenen Pfad. Aber irgendwann wundere ich mich, dass es immer weiter nach rechts in Richtung Simadalen geht – bald wird mir klar, dass es sich hier um einen Schafpfad handelt, der meine Spur querte – der Hinweis dazu steht auch in meinem Büchlein zu lesen.
Ärgerlicherweise muss ich jetzt wieder gut 50 Hm hoch – und dabei hab ich mit doch schon so auf mein Frühstück gefreut. An der Abzweigung wende ich mich jetzt mehr nach links und finde auch bald mal wieder ein rotes T auf eine Steinplatte gemalt.

Bald bin ich unten an der Brücke, das Wasser rauscht über einen winzigen Wasserfall in ein Steinbecken und ich schmeiße erst mal meinen Rucksack zur Seite, um mir zwei große Tassen Wasser zu gönnen und dann noch eine leckere Portion Müsli dazu.
Ich lasse mir Zeit und gucke mir die Gegend an, unentwegt kommen Nebelschwaden aus dem Simadalen hoch – bald bin ich in weiße Schleier eingehüllt und gleich darauf ist wieder klare Sicht bis hoch zum Grat, wo bis vor einer guten Stunde noch mein Zelt stand.
Die Pause tut gut, aber nun geht es gleich wieder geradewegs den nächsten Berg hoch. Gut 200 Hm ohne Serpentinen und mit sehr viel Matsch – ich wundere mich, dass im Hang der Weg so vermatscht und nass sein kann - öfter mal sinke ich bis zum Knöchel ein.

Oben am Berg ist gerade mal kein Nebel vorhanden und so habe ich einen tollen Blick zurück ins Tal, auf den Grat von der vorherigen Nacht und ganz im Hintergrund schimmert der Gletscher bläulich herüber. Ab hier führt der Weg fast eben weiter auf vielen nassen Platten oder in sumpfigen Wiesenflächen. Ganz langsam steigt der Weg in den nächsten 3 km auf ca. 1200 Höhe an. Ich quere wieder ein paar kleinere Altschneefelder, aber hier in diesem Bereich ist es bereits viel sommerlicher, als am ersten Tag im Bereich von Finse.
Ich spüre oft einen starken Wind von vorne und auch heute gibt es wieder regelmäßig Nieselregen. Das Wetter ist aber soweit ok, es ist bewölkt und ich habe klare Sicht. Als ich endlich die Passhöhe erreicht habe freue ich mich sehr, ab jetzt geht es nur noch bergab.

Und ab hier sehe ich wieder eine ganz andere Fauna, vor mir liegt eine weite, sanft abfallende Ebene – sehr sumpfig und mit niedrigem Gestrüpp bewachsen. Sehr viele Schafe sind weit verteilt. Ganz weit am Horizont kann ich schon das Tagesziel erkennen, doch der Weg zieht sich noch ein ganzes Stück hin.

Ich suche mir einen schönen Stein als Sitzplatz und koche mir erst mal ein leckeres Mittagessen. Mir fällt auf, dass ich seit gestern Nachmittag keinem Menschen mehr begegnet bin – und auf dem weiteren Weg ins Tal wird sich das wohl auch nicht ändern.

Es geht durch eine sumpfige Fläche, die zum Glück mit langen Holzplanken ausgelegt ist. Hier schwirren erstmals Mücken um mich herum und auch auf dem weiteren Weg versuche ich nun keine Pausen mehr zu machen, damit die fiesen Stecher keine Zeit haben, sich einen Landeplatz zu suchen. Ich mache einen Versuch mit meinem Mückenmittel „Shoo“ aus Schottland – und scheinbar hilft das auch hier was.
       
Das Gestrüpp wird immer dichter, es regnet wieder und zu allem Unglück schmerzt mir schon seit einiger Zeit mein linkes Knie bergab sehr stark. Ich stütze mich fest auf meine Stöcke und versuche das Bein zu entlasten. Kein guter Ausklang für diesen Tag. Endlich bin ich gegen 16.00 Uhr am Lieseth Pensionat, das waren heute ca. 11 km in knapp 5 ½ Stunden reiner Wanderzeit.

Da es gerade wieder regnet, beschließe ich mir etwas Luxus zu gönnen und frage nach einer Hytta – ich kann den Preis auf 300 Kronen herunterhandeln und habe nun die Möglichkeit meine Wäsche zu waschen und zu trockenen und es mir gemütlich zu machen. Meine letzte Dusche ist schon ein paar Tage her und so gönne ich mir mindestens 15 Minuten unter dem Wasserstrahl.

Nun bin ich wieder fit und mache mich auf den Weg zum Voringfossen (dem höchsten Wasserfall in der Gegend) – nach den Tagen in der Einsamkeit verwirren mich die vielen Touristen dort, obwohl es bereits am Abend ist – was war da wohl tagsüber los?
Ich spüre nun auch ohne den schweren Rucksack die Schmerzen im Knie und hinke leicht zurück zur Hytta.
Spaghetti-Kochen, lesen und bei einem - sehr teuren - Bier sitze ich auf meiner Terrasse und blicke in den Himmel – auch gegen 24.00 Uhr ist es noch nicht dunkel und ich habe keine Lust mehr auf eine Dämmerung zu warten.
      



Aufstehen, Rühreikochen – wenig Appetit oder liegt es an der komischen Fertigmischung? Hütte aufräumen und gegen 10.00 Uhr laufe ich los die Straße runter zur Voringfossen Cafeteria, ich schreibe ein paar Postkarten und deponiere meinen Rucksack im Kiosk hinter der Theke. Dann geht es los, die alte Passstraße runter zum Fuß des Wasserfalls. Die Straße ist für den Verkehr gesperrt und wird nur von einem kleinen Zug auf Rädern und den Radlern benutzt. Somit ist es sehr ruhig und ich folge den Serpentinen immer weiter runter ins enge Tal. Aber bereits nach ca. 150 Hm runter ins Tal habe ich wieder höllische Knieschmerzen – es ist nicht mehr weit bis zum Wasserfall, aber ich habe keine Lust mir das noch weiter anzutun.
Langsam gehe ich wieder hoch.
Oben noch mal ein Blick hoch zum Himmel und zu den Bergen in Richtung Süden, wo es tiefer in die Hardangervidda rein geht: Oben sehe ich nur dichte Nebelschwaden und bemerke den Wind – same prucedure als every day.


Und damit steht jetzt meine Entscheidung fest: Ab heute beginnt der 2. Teil meines Urlaubs - und das ist eine Sightseeing-Tour durch Südnorwegen.


2. Teil:
Ich werde den Rest nicht mehr so ausführlich beschreiben, schließlich begann der Bericht als eine Trekking-Touren-Beschreibung – und der Leser erwartet jetzt keinen Stadtbummel.




Da der Bus zum Örtchen Eidfjord erst in 2 Stunden geht, versuche ich es mal mit Trampen, ich spreche am Parkplatz ein älteres norwegisches Paar an und habe auch gleich eine Mitfahrgelegenheit.
Nun kann ich die Zeit im Ort verbringen. Erst mal gehe ich in die Tourist-Info, um meine weitere Tour zu planen. Dann bestaune ich das Angebot in den beiden Supermärkten und setze mich in den Stadtpark, direkt am Hafen, um mir was Leckeres zu kochen. Hier sind sehr viele Touristen unterwegs und mit Gucken und Staunen vergeht die Zeit im Nu, bis das Schnellboot kommt, dass mich durch den Hardangerfjord nach Norheimsund bringen wird.
Ca. 3 Stunden lang fahren wir in fast sämtliche Buchten des Fjordes um auch kleine Orte anzulaufen. Die Fahrt ist schon fast eine Kreuzfahrt, ich kann mich kaum sattsehen an den vielen Wasserfällen, schneebedeckten Bergen und Obstplantagen im Fjord.
Ab Norheimsund geht es mit dem Bus weiter in Richtung Bergen. Ca 1 ½ Stunden fahre ich in starken Regen durch die Küstengegend. In Bergen wird mir klar, dass es keinen Sinn macht hier zu Zelten, ich frage mich nach einer Jugendherberge durch und komme so mit dem Bus ins Montana Wanderhejm.
Leute aus der ganzen Welt sitzen zusammen im Aufenthaltsraum und es macht Spaß sich umzugucken.


Nach einem opulenten Frühstücksbuffet fahre ich mit dem Bus in die Stadt und gucke mir die üblichen Sehenswürdigkeiten an: Fischmarkt, Hanseviertel, Domkirche und Fussgängerzone. In einem Einkaufszentrum habe ich die Möglichkeit kostenlos im Internet zu surfen, das nutze ich intensiv, bis der PC abstürzt. Immerhin konnte ich ein paar E-Mails schreiben und den Wetterbericht abrufen. In Oslo soll es besser sein – also beschließe ich morgen mit dem Zug an die Ostküste zu fahren.
Die meiste Zeit regnet es, ich suche mir überdachte Orte und stehe viel im Fischmarkt rum. Die Japaner kaufen dort wie die Blöden ohne auf Preise zu achten, ich gehe mehr zum Probieren von einem Stand zum anderen. Geräuchertes Wal- oder Seehundfleisch schmeckt fast wie Rind. Außerdem gibt fünf verschiedene Kaviar-Sorten, am besten schmeckt mir der rote Lachs-Kaviar.
In der Innenstadt sehe ich eine Rock’n’Roll-Vorführung, ein Paar tanzt im Brunnen – am nächsten Tag entdecke ich ein Bild in der Regional-Zeitung zu „Rock’n’Rain“ - mit mir im Hintergrund. Hier regnet es scheinbar öfter – in der Innenstadt gibt es sogar Regenschirm-Automaten und die Leute laufen in Gummistiefeln rum – passend zum Minirock.
Abends wieder im Wandrerhejm – frustrierte deutsche Radwanderer, die im Regen Ihre Fahrräder auf der Terrasse kontrollieren, nun sitzen sie schon den 2. Tag hier fest.

       


Am nächsten Morgen wieder das leckere Frühstücksbuffet – die Nacht war etwas anstrengend, meine 3 spanischen Zimmergenossinnen wollten das Fenster nicht öffnen – es war ihnen zu kalt :). – und mir war zu heiß.
Am Bahnhof unterhalte ich mich ganz toll mit einer italienischen Lehrerin aus Elba – und irgendwann kommt dann endlich der Zug. Während der Fahrt lässt sich auch mal die Sonne blicken – aber als es weiter in die Berge geht sehe ich auf weiten Strecken bis Geilo immer nur Regen und Nebel. Dann führt der Weg langsam Richtung Oslo und es wird freundlicher.
Bei der Ankunft in Oslo ist es irgendwie drückend warm, es hat vorher geregnet, aber es ist sehr mild.
Ich nehme gleich den Bus hinter dem Bahnhof, der mich in wenigen Minuten zum Campingplatz auf dem Ekkeberg bringt.
Hier trifft sich ein internationales Volk mit allen möglichen Fortbewegungsmitteln – Wanderer - wie ich - sind die Looser, denn der Preis für ein kleines Einmannzelt ist genauso hoch, wie für ein 2-Mann-Zelt mit Auto. Ich unterhalte mich mit ein paar Motorradfahrern aus Bayern – und schnorre ein Bier, die Jungs hatten im Begleit-VW-Bus über 500 Dosen dabei (und das ging ihnen nun an den letzten Tagen aus).

Es will nicht dunkel werden und ich stehe noch gegen 23.00 Uhr bei den Motorradfahrern, als ein sehr starkes Gewitter kommt. Irgendwann kommt mein Nachbar von der anderen Seite – ein junger Pole – und sagt mir, dass er mir hilft mein Zelt umzubauen, ich sage, das ist nicht nötig - ich habe ein sehr gutes Zelt.
Als ich dann doch von meinem schützenden Baum vorluge merke ich, dass mein Zelt mittlerweile in einem kleinen Sturzbach steht, der den Hang runterkommt und das Wasser drückt auf der einen Seite ins Vorzelt rein – aber auf der anderen Seite kann es nicht raus, da der Stoff so schön am Boden anliegt. Rucksack, Kocher, Geschirr, Schuhe und Strümpfe – alles liegt in 10 cm tiefen Wasser.
Schnell haben wir das Zelt 10 Meter weiter auf einem Buckel getragen – mit dem gesamten Inhalt des Innenzeltes und dann den Rest im Auto des Polen in Sicherheit gebracht.
Ich freue mich über mein tolles Zelt – ein Hilleberg ist jeden Euro wert, denn die Sachen im Innenzelt (Digicam, Handy, Klamotten, Daunenschlafsack) kugeln trocken auf der Matte rum. In der Nacht regnet es nicht mehr viel und frühmorgens um sieben werde ich mit einem heißen Kaffee von den jungen Polen geweckt, die heute abreisen wollen und mir jetzt meine halbnassen Sachen vorbeibringen.

      


Es ist ein schöner Morgen, bald verlasse ich mein Zelt und nach kurzem Müsli-Frühstück bin ich bereits auf dem Weg in die Stadt – heute will ich zu Fuß meine Besichtigungen machen. Als erstes geht es gegen 8.30 Uhr bereits durch die noch leere Fußgängerzone Richtung Schloss. Vor dem Schloss arbeiten die Gärtner auf Hochtouren um den vom nächtlichen Gewitter auf die Straße geschwemmten Sand wieder auf den großen Promenade-Platz zu kehren.
Durch den Schlosspark führt mich mein Weg weiter zum Vigelandpark. Ich stelle mich ein bisschen neben deutsche Reisegruppen, um etwas über die Skulpturen und den Künstler Gustav Vigeland zu erfahren und bin beeindruckt von der Schönheit und Genauigkeit seiner Figuren. Auf dem Weg zurück in die Innenstadt gehe ich in die Nationalgalerie, in der unter anderem das Original von Edvard Munch`s „Der Schrei“ hängt. Ich sehe wunderschöne Klassiker von hauptsächlich skandinavischen Künstlern und ruhe mich auf mancher Bank vor den Bildern etwas aus, da ich wieder starke Schmerzen im Knie spüre.
Weiter führt mich mein Weg zum Rathauskai und zum Stadtviertel Akker Brygge direkt am Hafen, dort geht ein sehr starker Wind und obwohl die Sonne scheint bin ich froh über meine Jacke.
Auf der Freifläche findet gerade eine beeindruckende Foto-Ausstellung mit Luftaufnahmen von Yann Arthus-Bertrand statt. Viele Menschen, Einheimische und Touristen spazieren umher und es hat ein sehr großstädtisches Flair in Oslo. Es sind viele japanische Touristen zu sehen, aber kaum Amerikaner. Ich gehe noch durch verschiedene Einkaufszentren, betrachte mir das Angebot und bin auf der Suche nach ein paar Mitbringsel für meine Kinder.
An diesem Abend scheint die Sonne und ich gehe noch vom Campground zu einem Aussichtspunkt, von dem es eine sehr gute Sicht auf die Innenstadt gibt.


Am Morgen brennt die Sonne auf mein Zelt und so stehe ich bereits um 7.00 Uhr auf und mache mich nach einem ausführlichen Frühstück auf in die Stadt.
Für heute habe ich mir die „Oslo-Kart“ besorgt – kostet zwar 180 Kronen, ca. 25 Euro – bringt aber den freien Eintritt in sehr viele Museen und freie Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln. Nachdem ich gestern im Innenstadtbereich zu Fuss unterwegs war, komme ich heute weiter herum in Oslo.
Als erstes mit dem Boot vom Rathauskai zur Museums-Insel, dort besuche ich das Kontiki-Museeum von Thor Heyerdahl, das Museum mit dem Polarschiff Fram, mit dem viele berühmte Forscher unterwegs waren und das Schifffahrtsmuseum.
Mit dem Bus geht es zum Folksmuseum, dass sich knapp einen Kilometer weiter befindet, dort sehe ich wunderschöne alte Häuser und eine originale Stabkirche, außerdem gibt es traditionelle Vorführungen.
Gleich daneben befindet sich das Wikingermuseum mit drei sehr gut erhaltenen Booten, die in Grabstätten entdeckt wurden.
Ich habe Glück – während ich mit dem Bus zum Bootsanleger fahre, gibt es ein starkes Gewitter, und noch mal ein starker Regenschauer zurück am Rathauskai, wo eine Beach-Football-Show auf einem extra angelegtem Sandfeld stattfindet. Alles ist patschnass – die Fußballer versifft vom nassen Sand, aber es tut der guten Laune der vielen jungen Leute nichts ab und ich habe ja eine Goretex-Jacke an.
Dann fahre ich mit der U-Bahn zum Holmenkollen, ab der Station habe ich einen ganz schönen Aufstieg und dann auch noch über Treppen hoch in den Sprungturm. Ganz oben im Sprungturm gibt es eine tolle Sicht über die Stadt und den Oslo-Fjord – und beim Blick in die Sprungspur wird mir ganz mulmig.
      
Zurück am Bahnhof reicht mir nun der ereignisreiche Tag und ich nehme wieder den Bus zum Ekkeberg-Camping. Da kommt eine junge Französin und fragt den Busfahrer radebrechend, ob dieser Bus zum Ekkeberg fährt, als er bejaht winkt sie nach hinten und plötzlich kommen da an die 40 junge Leute und drücken in den eh schon vollen Bus – französischer Schulausflug nach Norwegen. Beim Aussteigen aus dem Bus wird durchgezählt ob alle da sind, ich hoffe mal es sind alle da.
Ich sortiere bereits mein Gepäck für den morgigen Abflug – den Rest Benzin will ich einem jungen holländischen Motorradfahrer schenken - er lehnt ab, seine Triumph ist sehr sensibel mit dem Sprit. Aber es findet sich gleich ein junger Deutscher aus Konstanz – und so stehen wir drei dann noch bis spät in die Nacht zusammen und unterhalten uns bei Pulverkaffee über alle möglichen Erlebnisse.


Am nächsten Morgen bin ich bereits wieder um 8.00 Uhr an der Bushaltestelle und fahre zum Busbahnhof. Nach einer Wartezeit von einer guten Stunde geht es mit dem Flughafen-Bus zurück nach Torp. Als ich dort vor dem Check-In stehe, bemerke ich, dass mein Autoschlüssel nicht in der rechten Hosentasche steckt – da ist aber sein Stammplatz in meiner Hose. Heute Morgen habe ich ihn aus dem Fach im Rucksack geholt, als ich alle Sachen verpackt habe. Ich wühle noch mal in der Deckeltasche meines Rucksacks und mache schnell mal das Hauptfach auf, aber da ist nichts – dann bin ich auch schon am Check-In dran. Ich gebe meinen Rucksack auf und verbringe dann die restliche Zeit bis zum Abflug damit, alle meine Taschen, mein Handgepäck und meine Jacken auszuschütteln und zu durchsuchen – ohne Erfolg.
Na toll, der Schlüssel liegt wohl auf der Wiese vom Ekkeberg und ich habe keine Chance mehr hinzukommen. Der Flug vergeht ruckzuck, während ich nur den einen Gedanken habe, wie ich heimkomme.
Nach der Ankunft in Hahn laufe ich zu meinem Auto, steht natürlich da wie es sein soll – ich durchsuche wieder die Deckeltasche und rufe dann den ADAC an.
Die hilfsbereite Mitarbeiterin erklärt mir, dass der ADAC-Mann mein Auto öffnen kann, damit ich irgendwelche Sachen rausholen kann, aber kurzschließen, das kann er schon – aber das darf er nicht, nein das macht er auch nicht. Er kann den Abschleppwagen holen und mich zu einer Fachwerkstatt bringen lassen, damit die mir ein neues Schloss einbauen – sind aber alles kostenpflichtige Leistungen – und außerdem ist jetzt gerade Samstag Nachmittag, da gibt es wahrscheinlich gar keine Hilfe. Rufen sie doch Ihren Mann an, dass der vorbei kommt, sagt sie zu mir – ist aber auch keine gute Idee, da mein Mann ca. 350 km von Hahn entfernt ist.
Gut – sag ich zu ihr, soll er mal kommen und das Auto aufmachen, dann ruf ich meinen Bruder an und der soll mir sagen, wie ich das Auto selbst kurzschließe. Das dauert aber eine Stunde sagt sie, bis da jemand da ist.
Ich sitze neben meinem Auto und habe nichts zu tun – nun beginne ich wieder meinen Rucksack zu durchwühlen und diesmal landet der gesamte Inhalt auf der Straße vor mir. Beim Ausschütteln der Klamotten fällt plötzlich der Autoschlüssel aus meinem schmutzigen Handtuch – was bin ich erleichtert.
Ruckzuck habe ich meine Sachen ins Auto verpackt und noch mal beim ADAC angerufen, dass keiner mehr kommen muss - die werden sich denken, die ist nicht ganz richtig im Kopf – ist mir egal.
Schnell bin ich unterwegs nach Hause, die Fahrt geht schnell – es wundert mich auch gar nicht, dass es anfängt zu regnen und stundenlang nicht mehr aufhört – ich bin ja wieder da, da muss es doch regnen, auch wenn die letzten zehn Tage in Bayern nur Sonnenschein war.
Zuhause erzählt mir übrigens mein Bruder, dass er gar nicht weiß, wie man einen Golf kurzschließt.


 

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